Donnerstag, 31. Januar 2013

wie aus Nermina Zolj Janina Benz wird...

das erste, was ich im Berufsleben gelernt habe, war meinen Vor und Nachnamen deutschfreundlich zu buchstabieren und schön langsam auszusprechen: N wie Nordpol, E wie Emil, R wie Richard usw. und dann Z wie Zeppelin, O der Otto, L der Ludwig und J der Johannes. Im Gespräch und am Telefon verzichte ich inzwischen schon auf meinen angeheirateten Nachnamen mit dem obligatorischen -ic am Ende um die Leute nicht komplett zu überfordern und dennoch kommt es, trotz alles Sorgfalt und Langsamkeit beim Vorstellen zu den absurdesten Situationen, wie mein Anruf beim Stuttgarter Einwohnemeldeamt:
Ich: Guten Tag, Nermina Zolj am Telefon, ich würde mich gerne ummelden bitte
Sie: Ich stell Sie durch. Wie hoisset se nommel? (Wie heissen Sie nochmal?)
Ich: Zolj, Z wie Zeppelin, O der Otto, L der Ludwig und J der Johannes
Sie: Soll, einen Moment bitte
Ich: Nein, nicht Soll, Zolj, mit einem Z wie Zeppelin
Sie: Gut, ich stelle sie durch
tamtamdadatamtamtam - nervige Warteschleife  nächste schwäbische Sachbearbeiten
Ich: Guten Tag, Nermina Zolj am Telefon, ich würde mich gerne ummelden bitte
Sie: Wie hoisset Se?
Ich: Zolj, Z wie Zeppelin, O der Otto, L der Ludwig und J der Johannes, Vorname: Nermina
Sie: Dann sen Se bei mir folsch, hier isch buchstob C 
Ich: Okaaayyyyyy, könnten Sie mich dann bitte durchstellen?
Sie: Wartet Se kurz, i stelle Se durch
tamtamdadatamtamtam - nervige Warteschleife  nächste schwäbische Sachbearbeiten
Ich: Hallo, ich hoffe, dass ich bei Ihnen richtig bin, würde mich gerne ummelden, bitte
Sie: Wie hoisset Se?
Ich:  Zolj, Vorname Nermina
Sie: Hermine?
Ich: Nein, nicht Hermine, NERMINA, Nordpol, Egon, Richard, Martha, Ina, Nordpol, Anton, NERMINA
Sie: Kennet Se nommel buchstabiera?
Ich: NERMINA, Nordpol, Egon, Richard, Martha, Ina, Nordpol, Anton, NERMINA
Sie: Familienname?
Ich: Zolj, Z wie Zeppelin, O der Otto, L der Ludwig und J der Johannes
Sie: Zoll? 
Ich: Nein, nicht Zoll, Zolj, ein J am Ende, ZOLJ
es dauerte eine gefühlte Stunde bis ich dieses Gespräch erledigt hatte und der Frau klar machen konnte, dass ich nur einen blöden Antrag brauche. Dieser kam dann auch relativ bald per Post, wenn auch an Hermine Zolj adressiert. Nun gut bei Nermina liegt Hermine auf der Hand, ebenso wie Zoll oder Soll, aber Janina Benz, wie mich eine Mitarbeiterin des Stuttgartes Finanzamtes mal angesprochen hatte, zeigt dann schon mangelnde Zuhörfähigkeit, was mir vor kurzem erst ein Bekannter mit Nachnamen El-Matouch bestätigte, als er mir einen Brief zeigte, der an ELMAR TUCH adressiert war :-)

Dienstag, 29. Januar 2013

wieso deutscher Kaffee nicht schmeckt...

jedes Mal, wenn ich eine Melitta-Werbung sehe, dreht sich mir der Magen um. Da mag der Barista noch so gut aussehen und vom tollen Kaffee schwärmen, Filterkaffee geht gar nicht, sorry. So wie die Türken und Japaner ihren Tee lieben und ganze Zeremonien dafür haben, so haben wir Balkaneros unsere kahva / kafa / kava, eine Art türkischer Mokka. Und wie bei der Teezeremonie gibt es auch hier bestimmte Regeln zu beachten, denn der Kaffee wird nicht einfach nur lieblos in den Filter geschüttet, Maschine an und gut ist. Der Vorgang an sich ist einfach, erfordert aber dennoch Präzision und das Gefühl für den richtigen Moment. Jeder der seinen Herd nach einem "explodierten" Mokka putzen musste, versteht was ich meine :-)
Dass ich so gerne bosnischen Kaffee trinke liegt aber auch daran, dass wir mit dem Kaffee Geselligkeit und eine schöne, entspannte Atmosphäre verbinden. So haben wir für kahva verschiedene Ausdrücke, angefangen bei der  "razdrmusa" morgens, deren Koffeingehalt tote Tanten weckt., die "docekusa" - der "schön-dass-ihr-da seid"-Kaffee, dann hätten wir die "razgovorusa", der "erzähl-wie-es-dir-geht"-Kaffee, mein Favorit, der mir schon eine Menge Geld für den Psychologen gespart hat und das perfekte Getränk für gute Gespräche. Und natürlich die obligatorische "sikterusa" der "jetzt-könntet-ihr-langsam-mal-nach-Hause"-Kaffee. Der Kaffee ist jedes Mal der Gleiche und doch macht er alltägliche Momente zu etwas Besonderem, Entschleunigung ist das Zauberwort. 






An der Stelle eine schöne Geschichte, die ich immer wieder gerne lese:



Von der Möhre, dem Ei und der Kaffeebohne...

Eine Tochter klagte ihrem Vater ihr Leid und beschwerte sich, dass ihr Leben so schwer, anstrengenend sei und sie keine Kraft mehr hätte.  Ihr Vater, Koch von Beruf, führte sie in die Küche. Er nahm drei Töpfe, füllte diese mit Wasser und stellte sie auf den Herd. Als das Wasser anfing zu kochen, nahm er jeweils eine Möhre, ein Ei und ein paar Kaffeebohnen, gab sie in die Töpfe und liess sie erstmal kochen. 
Die erstaunte Tochter fragte neugierig, was das denn soll? Woraufhin der Vater die Töpfe vom Herd nahm und ihr erstmal die Möhre, das Ei und die Kaffeebohnen zeigte und sagte: Schau mal.. Die Tochter fühlte, dass die Möhre inzwischen weich, leicht zerbrechlich, das Ei hingegen hart war, während die Kaffeebohnen wunderbar rochen. 
Was soll das bedeuten? fragte sie. Mein Kind, sagte der Vater, diese Möhre, dieses Ei und diese Kaffeebohnen haben alle das gleiche durchgemacht, schau: Die Möhre war anfangs stark und hart, doch das kochende Wasser machte sie weich, spröde. Das Ei war durch die Schale anfangs geschützt, doch der weiche Kern wurde hart. Die Kaffeebohnen jedoch haben dem Wasser getrotzt und es sogar verändert, sieh genau hin. und jetzt frage ich Dich, wie willst Du sein? wie die Möhre, die auf den ersten Blick stark wirkt, doch sobald ein erstes Hindernis kommt ihre Kraft verliert? wie das Ei, geschützt von der Schale, die sich äüßerlich nicht ändert, doch mit einem harten Herzen? Oder bist Du wie diese Kaffeebohne, die es schafft das kochende Wasser zu ändern, sogar zu verbessern, indem sie ihm Geschmack und Duft gibt? 
Autor unbekannt



Montag, 28. Januar 2013

wieso ich am Kehrwochen-Trauma leide...


Die Kehrwoche - ein süddeutsches Heiligtum, ein moralisches Muss, eine Pflicht, so wichtig, dass sie sogar in Wiki einen Eintrag hat. Ich glaube, in jedem, wirklich jedem Haus in Stuttgart und Umgebung hängt so ein blödes Kehrwoche-Schild in allen Variationen. Und unser Haus ist das beste Bespiel dafür, wie ernst die heilige Kehrwoche genommen wird. Als ich damals einzog und mich mit Kuchen bei den Nachbarn als Nermina Soundsou von oben vorstellte, begrüßte mich meine Nachbarin direkt gegenüber nicht etwa mit dem Satz: Willkommen bla bla bla oder Danke für den Kuchen bla bla bla. NEIN! Ihr erster Satz war ungelogen: „Sie, Sie denket aber an die Kehrwoche? Jeden zwoiten Freitag unsern Stock und jedes sechste Wochenende alle Treppe UND den Keller putza! Und passet Sie bloss uf, dass obends die Tür zu isch, i will net, dass sich hier Gsocks rumtreibt!!!“ Danke für’s Gespräch. Und so wie sie mich begrüßte, so beobachtet sie mich seitdem auch, in bester Stasi-Manier, wer wann kommt, wer wann wieder geht, aber vor allem, ob und wann ich die Kehrwoche mache. Einmal wagte ich es am Sonntag die Treppen zu putzen, da baute sie sich am Treppenabsatz oben auf und polterte drauflos: „Sie, es isch Sonntag, Sie könnet doch net an einem SONNTAG putza“ Ähhhhhm, doch ich kann, wenn ich freitags und samstags nicht zu Hause bin, zum Beispiel. Zumal es keinen Kehrwochen-Kodex gibt, der mir das untersagt. Eben diese Nachbarin ist auch die Ursache meines Kehrwochen-Traumas, seit ich sie einmal fast KO geschlagen hätte. Dazu muss ich noch erwähnen, dass ich, die ich ja Freund des Sprechgesanges bin, beim Putzen immer narodna, die Volksmusik der Balkaneros, hier vorzugsweise Halid Beslic, den Altmeister, den Paten, das Urgestein höre. Ich fege also im Keller, summe dabei fröhlich vor mich hin: Fessle mich in Ketten, König, ich liebe sie dennoch, für sie würde ich alles geben, denn stärker als jede Fessel sind ihre grüne Augen. (Die Balkaneros unter uns  dürfen jetzt raten, welches Lied das ist J, legt sich auf einmal eine dünne, knochige, blasse Hand auf meine Schulter. Dieser Moment hatte was von Geisterbahn, doch es war nur meine Nachbarin, die, als ob sie gar nicht wissen würde, was sie mir da angetan hatte und was für ein Riesenglück sie hatte, dass ich ihr kein Ding verpasst hatte, mich ganz ernst ansah und meinte: „Sie, Sie denket aber an den Waschkeller!“ Da machsch was mit bis alt wirsch :-)

Sonntag, 27. Januar 2013

wieso eine Fahrt mit der U-Bahn zum Spießrutenlauf wird


Seit ich ein Kind habe, ist jede Fahrt mit der U-Bahn die reinste Qual, die schon an der Haltestelle beginnt.  Da nicht jede Haltestelle über den Luxus eines Aufzugs verfügt, heißt es erstmal Kinderwagen samt Kind Treppen runter und dann wieder hochschleppen, während die Männer an einem vorbeilaufen, mich keines Blickes würdigen, geschweige denn ihre starke, helfende Hand anbieten. Meistens sind es dann junge Mamis, die mit mir leiden, die mir dann helfen.  Schon genervt und schweissgebadet in der U-Bahn eingestiegen, beginnt der Spießrutenlauf erst richtig. Los geht es damit, dass ich eigentlich immer jemanden vom Einzelsitz (gedacht für Mütter mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer, dementsprechend auch gekennzeichnet) verscheuchen muss, wofür ich schon den ersten strafenden Blick ernte. Ist mein Kind dann auch noch unruhig, quengelig oder wagt es gar zu weinen, folgt direkt der zweite strafende Blick und mein Agressionspegel steigt schon in den gelben Bereich. Richtig böse wird es dann aber, wenn die vertriebene Person ein älterer Urschwabe ist, die jedes, wirklich jedes Klischee und Vorurteil bestätigt, das man so vom Deutschen im Allgemeinen und vom Schwaben im Besonderen hat. Die Person von der ich hier rede, hatte einen Bierbauch, eine BILD in der Hand, trug ein VfB-Trikot, ironischerweise mit GAZI-Aufdruck vorne und Ibisevic-Aufruck hinten drauf , kurz gesagt: es passte perfekt :-) Eben diesen Mitmenschen bat ich an jenem  Tag mir den Einzelsitz frei zu machen, meine Tochter war quengelig und ich versuchte sie mit Jugo-Kinderliedern bei  Laune zu halten. Und während ich, genervt wie ich war, "tasun, tasun, tanana" sang, hörte ich im Hintergrund doch tatsächlich den Kommentar: „Dreckspack, net a mol doitsch könna, wahrscheinlich au ned arbeita, aba kinda macha“.  Wie reagiert man in so einem Moment? Wie behandelt man so einen Ignoranten? Sagt man überhaupt etwas? Und wenn ja was? Beleidigt man ihn auf die Balkanero-Art oder diskutiert man mit ihm auf die höfliche deutsche Art und erzählt ihm, wie vorbildlich man doch integriert ist und dass man auch brav seine Kehrwoche macht und Steuern zahlt? 
1.    An dem Tag war ich zu fertig und gestresst, um zu diskutieren oder fiese Sprüche vom Stapel zu lassen, so dass ich ihn nur müde anlächelte und mich mit „Entschuldigen Sie bitte, mein Deutsch versteht man wenigstens, schönen Tag noch“ verabschiedete. Da machsch was mit bis alt wirsch...

wie man als Migrantenkind in Deutschland überlebt


Vorab, die Frage ist rhetorisch und ich meine sie ironisch, denn:
nein, ich bin nicht im Ghetto aufgewachsen
nein, ich benutze nicht das Wort ALTER 
nein, ich höre weder Sido noch Bushido und 
ja, ich liebe Klischees
ja, ich lebe gerne in Deutschland
ja, dieses ganze Integrationsgelaber nervt....
Wir im Ländle sagen gerne: Da machsch was mit, bis alt wirsch und so ist es, als Migrantenkind erlebt man einiges. Manches zum Lachen, vieles zum Heulen. Der übliche Wahnsinn, nur mit Vegeta gewürzt.
Als Migrantenkind muss man in Deutschland nicht "überleben", aber manchmal sehr gute Nerven haben und wissen, wer man ist, ein schrecklicher Satz, ich weiss aber dieses Wissen ist die Herausforderung, der Balanceakt, die Gratwanderung. Passe ich mich an? Wenn ja, um welchen Preis? Wenn ja, was bekomme ich, was verliere ich dafür? Diese Fragen haben mich lange beschäftigt, vor allem in der Pubertät, die an sich ja schon eine Herausforderung ist. Als Moslem in einer schwäbischen, spiessigen Kleinstadt aufzuwachsen, eines der wenigen ausländischen Kinder im Gymnasium zu sein, war eine der Erfahrungen, die mich geprägt haben und Teil meiner Selbstdefinition: Deutsches Hirn, bosnische Seele.
Als Migrantenkind hat man etwas Besonderes, nämlich die Möglichkeit mit mehr als einer Kultur, einer Art zu leben aufzuwachsen. Und dann als Erwachsener mit Migrationshintergrund, die Möglichkeit sich aus beiden Kulturen und Welten das Beste herauszupicken und da machsch was mit, bis alt wirsch :-)