Donnerstag, 24. Juli 2014

wenn Krieg zu Kunst wird - die Bomb Gallery

Die Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen in Bosnien wirken sich noch heute auf den Kultursektor aus. Die wichtigsten kulturellen Einrichtungen wie Museen und die große Nationalbibliothek mussten aufgrund von Geldmangel schließen. Umso wichtiger werden unabhängige Kulturprojekte wie die Boom Gallery in Mostar.
In ihr soll zum Teil auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Krieg erfolgen. Nichts liegt bei diesem Thema näher, als ein vom Krieg zerstörtes Gebäude als Ausstellungsort zu nutzen. Das Gebäude ist ein Symbol für die Vergangenheit, eine Erinnerung an die Zerstörung und Gewalt. Indem es zum Zentrum der Kunstinitiative gemacht wird, soll sie zukünftig für Aufbruch und Neuanfang stehen.

Brücke zwischen Deutschland und Bosnien

Die Bomb Gallery ist dabei auch eine kulturelle Brücke zwischen Deutschland und Bosnien, denn die Kuratoren der Galerie sind die Berliner Künstler Aleksandar Nesic und  Friederike Ruff, sowie die bosnische Künstlerin Anita Kapraljev, die in Mostar geboren wurde und nun ebenfalls in Berlin lebt.
Das 2011 initiierte Kulturprojekt ist nach drei Jahren reif und öffnet 2014 mit einem Festival seine Pforten. Am 29. Juli wird in Mostar das „International Contemporary Art Festival“ in der Bomb Gallery stattfinden. 28 Künstler aus der ganzen Welt werden ihre Werke jeweils für einen kurzen Zeitraum in den Räumlichkeiten der Bomb Gallery ausstellen. Begleitet wird das Programm von Musik- und Literatureinlagen. Für die Umsetzung des Kunstprojekts wurde in Deutschland eine Versteigerung durchgeführt, dessen gesamter Erlös in die Bomb Gallery floß. Unterstützung für das Festival erhalten die Künster von der schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und der Stadtverwaltung von Mostar.
Die Bomb Gallery hebt sich von anderen Museen dadurch ab, dass sie ein freier künstlerischer Raum ist, in dem Künstler aus aller Welt nicht nur ihre Werke ausstellen, sondern auch produzieren und leben können.  Dabei soll die soziopolitische Umgebung eine intensive künstlerische Auseinandersetzung anstoßen.

Mittwoch, 9. Juli 2014

nette, alte Dame oder verbitterter Hausdrachen?



Bei mir auf dem Stock wohnt gegenüber Frau R. - auf den ersten Blick eine nette, alte Dame. Mitte 70, klein, zierlich, grau Haare. Genau so könnte auch eine liebevolle Grossmutte aussehen, meine Nachbarin aber ist alles andere als das. Weder liebevoll noch Grossmutter. So grundsätzlich ist sie nett, sie grüßt höflich aber da hört es auch schon auf. Sie hat die Hausordnung ebenso wie das Vaterunser verinnerlicht, die Kehrwoche hat bei ihr den Stellenwert des Kirchenbesuchs. Sie ist sehr pingelig, um nicht zu sagen kleinlich und achtet penibel auf ihre Privatsphäre. Nach bald sieben Jahren, die ich nun Tür an Tür mit ihr wohne, weiss ich noch immer nicht mehr von ihr als dass sie alleine lebt. Freundlichkeit überfordert sie. Als ich ihr an meinem ersten Bajram im Haus Baklava vorbeibrachte, fragte sie mich allen Ernstes, was sie mir schuldet. Alles, was sie nicht angeht, ignoriert sie mit der Begründung, in ihrem Alter dürfe sie sich nicht aufregen, wegen ihrem Herz. Meine Nachbarin gehört zu denen Menschen, von denen man immer weder liest und hört, dass sie in ihrer Wohnung sterben und es Wochen dauert, bis sie jemand findet. Anfangs hatte ich sie unter "blöde Kuh" abgestempelt und nach dem Motto "Toleranz durch Ignoranz" abgehakt, bis ich eines Tages merkte - sie hat Angst. Angst vor mir, die ich keine Deutsche bin, Angst vor meinen Mädels, die Kopftuch tragen, Angst vorm schwarzen Mann. Und seitdem fällt es mir schwer, böse auf sie zu sein, im Gegenteil manchmal tut sie mir einfach leid.
An der Stelle wundert man sich vielleicht, wieso ich so viel über meine Nachbarin schreibe. So kurz vor dem 11.07. ist Srebrenica und Europas Rolle darin ein grosses Thema und wäre Europa ein Mensch, dann wäre Europa wie meine Nachbarin. Die nette alte Damen, auf den ersten Blick liebevolle Grossmutter, auf den zweiten Blick ignoranter, verbitterter Hausdrache und Angsthase.  Und genau so sehe ich  Europa in Bezug auf Bosnien, angefangen beim Krieg bis hin zur jüngsten Flutkatastrophe.
Eine liebevolle Grossmutter würde einem Kind, das hinfällt die Schurfwünde reinigen, ein Pflaster draufkleben und es trösten, der Hausdrache würde das Kind beschimpfen, wieso es weint.
EIne liebevolle Grossmutter ist der weise, gutmütige Fels in der Brandung, der Hausdrache brennt mit einer Flamme aus dem Maul alles nieder.
Eine liebevolle Grossmutter kennt jedes Nachbarkind beim Namen, vor dem Hausdrachen rennt jedes Nachbarkind davon.
Europa erinnert mich an genau diesen Hausdrachen und zwar in einer Zeit in der das junge Bosnien mit seinen 21 Jahren eine weise Grossmutter mit ihrer Hilfe, Trost und Ratschlägen dringend bräuchte...
Und während die liebevolle Grossmutter im Kreise ihrer Liebsten in Würde altert und vom Leben Abschied nimmt, wird der Hausdrachen vereinsamt sterben, in der Hoffnung, dass jemand die Leiche findet, bevor sie zerfällt und anfängt zu stinken...

Freitag, 4. Juli 2014

die Blume, deren Wurzel der Schmerz ist...

  

 11 Blüten, weiss, rein, unschuldig stehen für abscheulichste, grauenhafteste Ereignis nach dem Holocaust in Srebrenica. 11 Blüten, weiss, rein, unschuldig stehen für das Versagen Europas, für die Feigheit derer, die es hätten verhindern können. 11 Blüten, weiss, rein, unschuldig stehen für 8372 unschuldige Kinder und Männer. 11 Blüten, weiss, rein, unschuldig, klein und unauffälligen dienen als Erinnerung an den 11.07.1995 und als Mahnung gegen das Vergessen. Denn vergessen wir, sterben sie nocheinmal...
Die Blume Srebrenicas ist die Idee einer Frauengruppe, die 2011 die Blume vorstellte und seitdem an Bürger und Besucher Bosniens verschenkt.
"11 weisse Blüten für die unschuldigen Opfer, doch grün in der Mitte als Hoffnung. Die Hoffnung, dass alle Bürger Bosniens, unabhängig von Ethnie und Religion aber auch Menschen weltweit den Opfern dieses schwarzen 11.07. gedenken und sich Geschichte nicht wiederholt" sagt Azemina, eine der Initiatorinnen. "Wenn wir jemanden sehen, der die Blume trägt, fragen wir nicht nach dem Namen oder der Religion. Allein die Blume reicht, um zu wissen wer er ist." 


Nächsten Freitag werden in Potocari wieder identifizierte Leichen begraben, dieses Jahr werden es voraussichtlich 175 Körper sein, die endlich ihre letzte Ruhe finden werden. Ich bin sprachlos, hilflos angesichts der Trauer, des Schmerzes aber auch wütend angesichts der Tatsache, dass auch dieses Jahr die Medien dieses Datum ignorieren werden, denn es waren ja nur 8372...

 
es waren 8372 Kinder, Jungs, Männer
heute wären sie 
Familienväter
Lehrer
Rechtsanwälte
Handwerker
was auch immer sie wären
sie wären vor allem eins:
am Leben!!!

In Gedanken bei jeder Mutter, Tochter, Schwester
In Gedenken an jedes unschuldige Opfer
Mögen Eure Seelen Frieden finden, Euer Tod nicht umsonst gewesen sein...