Dienstag, 21. Januar 2014

morgens halb neun in Deutschland



Das Fiese am Winter ist ja, dass es morgens, wenn man aus dem Haus geht, genau so dunkel ist wie abends wenn man wieder zurück kommt. Man sitzt dann in der U-Bahn und beneidet die Bären um ihren Winterschlaf, während man versucht nicht einzuschlafen (ist mir einmal passiert, ich wachte am anderen Ende der Stadt auf und sorgte die restliche Woche für allgmeine Erheiterung im Büro). Jedenfalls kämpfe ich gerade jeden Morgen in der U-Bahn mit meinem inneren Schweinhund und versuche in den 30 Minuten auf dem Weg zur Arbeit das Unausweichbare anzunehmen und mich mit der grautrübenhässlichen bösen Welt da draussen anzufreunden, in der Hoffnung, dass es ein guter Tag wird. Klappt meistens, nicht immer :-) Und dann sitze ich da so mit meinem Kaffee in der Hand und beobachte die Menschen, amüsiere mich über die älteren Balkanero-Damen auf dem Weg zum Arzt, die sich gegenseitig ihr Leid klagen und fast wetteifern, wer denn nun kränker sei: znas, one tablete sto sam zadnji put dobila NISTA nisu pomogle / die Tabletten, die ich letztes Mal bekommen habe, haben nicht geholfen, leide mit der Mami, die ihr quengeliges Kind zur KiTa bringt, ärgere mich über Fahrgäste, die den Einzelplatz in Beschlag nehmen, während der Rollstullfahrer mit Begleitung an der Türe stehen muss. Menschen zu beobachten macht mir Spass, denn der Mensch an sich ist faszinierend. Die meiste Zeit wundere ich mich aber, über alles mögliche. Über das Gemecker der Rentner, weil die Bahn mal wieder Verspätung hat, über die Tatsache, dass ein normaler Small Talk gar nicht mehr möglich ist, weil sich jeder hinter seinem Smartphone versteckt, über die Art, wie Jugendliche miteinander reden: Ey Alter, ich schwör Mann, über die Outfits mancher Personen inklusive gefakter YSL-Taschen, (Mädels man sieht den Unterschied!), über die Tatsache, dass man sich nicht mal mehr umdreht geschweige denn entschuldigt, wenn man jemanden mit seiner fetten Sporttasche anrempelt, über die strafenden Besserwisser- Blicke, die man der Mutter eines weinenden Kindes zuwirft, über den geschniegelten Anzugträger, der Heavy Metal hört. Und während ich mich so wundere, häufen sich dann die Fragen, die ich beim besten Willen nicht beantworten kann:
Wieso drücken die Menschen an der Haltestelle immer so aggressiv auf den Türknopf??? von fünfmal drücknet öffnet sich die Tür auch nicht schneller...
Wieso lassen die Leute an der Haltestelle nicht erstmal alle aussteigen bevor sie sich in die U-Bahn quetschen???
Wieso denkt jeder, dass nur er es eilig hat???
Wieso erledigen manche Menschen ihre Maniküre nicht zu Hause im Bad???
Wieso ist es okay, wenn ein Hund laut bellt aber nicht in Ordnung, wenn ein Kind weint???
Wieso benutzen die Leute die Rolltreppe nach oben und steigen sie dann doch hoch??? 
 und zum Schluss, so naiv die Frage jetzt klingt, ist doch jeder von uns gestresst, gefrustet und vom Alltag genug genervt: Wieso lächeln die Menschen nicht mehr???

 


Freitag, 17. Januar 2014

der Drache mit dem Tennisschläger: Damir Džumhur


















Tennis ist so gar nicht mein Sport, ich persönlich ziehe Boxhandschuhe und einen Basketball dem Tennisschläger vor aber Damir Džumhur ist eine coole Socke. Es scheint als wäre er aus dem Nichts gekommen, da ist er nun und mischt die Australian Open auf :-) 

Damir Džumhur ist unser Drache mit dem Tennisschläger und seine Geschichte ist weitaus mehr als die übliche Tellerwäscher / Alkoholikervater/ Strassenkind -Erfolgsgeschichte. Ebenso wie bei den Drachen, war sein Weg härter und steiniger, als wir, die wir den Krieg nicht erlebt haben, es uns je vorstellen können. 

Damir kam am 20.05.1992 im Kriegssarajevo zur Welt, in einem Krankenhaus direkt an der Front. Seine Mutter erzählt in einem sehr bewegenden Interview: 
Es war eine sehr schwere Zeit, wir mussten unser Heim verlassen, wussten nicht wie es weitergeht, mein Mann steckte in Konjic (knapp 60 km von Sarajevo) fest. Am Tag, als Damir zur Welt kam, flogen Granaten, Sniper schossen. Der Sanitäter, der mich ins Krankenhaus brachte, meinte noch zu mir, was für ein Glück wir hätten...
Damir war ein gutes Kind, erzählt sie weiter, es war Krieg, wir hatten nichts, wir hatten keine Familie, kein Heim, waren Flüchtlinge und trotzdem freute er sich über kleine Dinge. 
Ganze Geschichte hier

Damirs Weg war geprägt von Krieg, Schmerz, Entbehrungen. Umso beeindruckender finde ich es, wie er für seinen Traum kämpft und mit jedem Sieg seinem Land ein bisschen Hoffnung schenkt! 

PS: es geht doch nichts über ein paar verrückte Bosnier mit einem Akkorden :-)


Freitag, 10. Januar 2014

...manchmal reicht eine Kleinigkeit...


Mein Weg zum Büro führt mich jeden Tag von der UBahn-Haltestelle Schlossplatz über Stuttgarts Fußgängerzone Königstrasse. Angesichts der Masse an Berufsbettlern hatte ich es mir im Laufe der Zeit angewöhnt wegzuschauen und die offenen Hände zu ignorieren, war leichter so...Bei einer Person funktionierte diese "Sch****egal-Einstellung" allerdings nicht. Seit zwei Monaten sah ich sie jeden Tag, mal bewusst, mal unbewusst, wie sie an einer zugigen, kalten Ecke in der UBahn Station stand und Obdachlosen-Zeitungen verkaufte, morgens wenn ich kam, abends wenn ich ging, Tag für Tag. Man sah ihr an, dass das Leben es mit ihr nicht gut gemeint hatte. (Das was ich auf den ersten Blick für Alkoholmissbrauch hielt, sollte sich später als Schlaganfall mit Mitte 30 rausstellen) Sonntag vor zwei Wochen war ich dann mit meinem 3.0er unterwegs und wir stiegen an dieser Haltestelle aus, sie stand wieder da, kurz sah sie uns und irgendetwas an ihrem Blick tat mir in der Seele weh... Auf dem Heimweg holte ich mir einen Kaffee, meiner Tochter eine heisse Schokolade und ohne zu wissen, warum oder für wen noch einen Tee und wir gingen zur UBahn. Sie stand immer noch da, alleine, verloren, in dieser zugigen Ecke dieser hässlichen Station, die nach Hundefäkalien und Erbrochenem stank, mit ihrem Stapel Zeitungen in der Hand. Ich gab ihr den Tee und ehrlich, selten hat mir ein Lächeln so gut getan, wie das ihrige in diesem Moment. Dieser eine Tee, diese eine Kleinigkeit, versüsste uns beiden den Augenblick und erfüllte mich tiefer Dankbarkeit und Demut. Ich schreibe das jetzt nicht, um zu zeigen, was für ein toller Mensch ich bin. Um Gottes Willen, das Gegenteil ist der Fall. Ich schreibe das, weil es mich berührt hat und mir mal wieder gezeigt, wie wichtig und gut doch die kleinen Dinge sind, gerade im Umgang mit anderen Menschen. Der Prophet Mohammed s.a.w.s. sagte einmal: Der wichtigste Mensch ist der, mit dem Du gerade sprichst. Und auch wenn ich nicht an diesen ganzen Neujahrsvorsatzschnickschnack glaube, dieser Augenblick, in Anlehnung an das Zitat des Propheten, war ausschlaggebend  für  das, was ich mir vorgenommen habe: den Menschen um mich herum mehr Zeit und Achtsamkeit zu schenken.