Montag, 26. Oktober 2015

egal, wie lange man bleibt - es ist immer zu wenig 3. Teil


 

 

 Familienausflug :-)


Am nächsten Tag fahre ich mit meiner Mutter und meiner Kleinen zu den Kravice-Wasserfällen, 40 Kilometer von Mostar. Drei Generationen zusammen unterwegs, fühlt sich gut an. An den Wasserfällen angekommen, muss ich erst mal meine Kleine bremsen, dass sie nicht direkt ins Wasser springt. Die Hauptsaison ist zum Glück vorbei, sodass es nicht allzu überlaufen ist. Ich bin kein Freund von Superlativen, aber die knapp 30 Meter hohen Wässerfälle, umgeben von Bäumen sind tatsächlich atemberaubend schön, anders kann ich es nicht sagen und auf jeden Fall einen Besuch wert!
Auf dem Rückweg halten wir in Počitelj, Mamas Onkel hat hier lange vor dem Krieg als Imam gearbeitet, sie zeigt mir das Haus der Familie, erzählt mir von damals, wie sie als junges Mädchen zu den teferci (Dorffeiern mit Musik) gegangen ist, wie seinerzeit beim Kolo, dem Volkstanz, das Mädchen einen Jungen nie an der Hand sondern an einem Taschentuch gehalten hat. Sie lächelt, ihre Augen leuchten. Und so gerne und viel meine Mutter redet, so schwer tut sie sich damit, ihre Gefühle zu zeigen. Umso schöner finde ich es, dass sie es jetzt macht und mich an ihren Erinnerungen teilhaben lässt.  
Wir fahren weiter zu Burg, schaffen es tatsächlich aber nur zur Hälfte hoch und besuchen die Moschee. Počitelj ist ein kleines Städtchen, mit einer faszinierenden Geschichte: So wurde die Festung zum Beispiel in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde die Festung durch die damals herrschenden Ungarn systematisch ausgebaut, um die auf Zentralbosnien und Mitteldalmatien zielenden Feldzüge der Osmanen abwehren zu können.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelang es den Osmanen am 19. September 1471 doch, die Burg unter ihre Kontrolle zu bringen. Damit war das wichtigste Hindernis für die Eroberung Bosniens und der westlichen Herzegowina beseitigt. Unter osmanischer Herrschaft wurde Počitelj als Bollwerk gegen das noch immer von der Republik Venedig beherrschte Dalmatien ausgebaut. Die Siedlung wurde bereits im 16. Jahrhundert deutlich erweitert; nach 1600 folgten der Bau typisch orientalischer Stadtgebäude. Ein Hamam (Bad), eine Medrese (Koranschule), ein Han (Gasthaus) sowie eine Sahat kula (Uhrturm) wurden errichtet. Das Wasser für den Hamam wurde aus der Neretva in die am Berg gelegene Stadt befördert. Seinerzeit war Počitelj damit eine der modernsten Städte der Region. Im Krieg wurde Počitelj zunächst von serbischen Truppen, dann von der HVO angegriffen und verwüstet. Die Truppen der selbsternannten Republik Herceg-Bosna nahmen 1993 viele überwiegend muslimische Einwohner gefangen, deportierten sie in Gefangenenlager, deren größtes das Lager Dretelj war, und zerstörten die Moschee, den Hamam sowie den Han und zahlreiche osmanische Häuser aus dem 18. Jahrhundert.. Die Rekonstruktion der meisten historischen Gebäude wurde 2002 abgeschlossen.

Die Fotos aus Pocitelj hat mir freundlicherweise Safet zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür, sie sind SEVDAH!










Gleich in der Nähe der Moschee setzen wir uns in Cafe, verschnaufen bei Kaffee und Limonade. Tatsächlich hatte in letzter Zeit selten die Möglichkeit, mit meiner Mutter einfach zu reden, als Freundin, auf Augenhöhe und es tut uns beiden so gut, merke ich....
Meine Kleine schläft auf dem Rückweg im Auto ein, im Radio läuft Zaim Imamovic, 





meine Mutter und ich singen leise mit, die Sonne scheint und wie war das nochmal - das Glück liegt in den kleinen Dingen...

Clash der Kulturen...

Ein Freund, der in München lebt, kommt aus Kroatien zu Besuch, wir fahren zur Tekija. Ich beobachte ihn, als wir den Hof betreten und er reagiert genau so, wie ich es schon vermutet hatte und bei einigen meiner deutschen Freunde schon erlebt hatte. Er ist begeistert und stellt mir viele Fragen bei der ersten der insgesamt sechs kahvas an diesem Tag. Im Gespräch fällt die obige Überschrift, nicht weil hier ein Kroate und eine Bosnierin, sondern ein Bayernbazi und eine Spätzlesfresserin am Tisch sitzen. Auf dementsprechend hohem intelektuellen Niveau führen wir dann auch das Gespräch :-) Zwischendurch wird es auch ernst, wir reden über den Nationalismus auf beiden Seiten, über Religion und wie sehr sie eben von diesen Nationalisten missbraucht wird. Das Gespräch setzen wir dann in Mostar fort und beim Abendessen in meinem Lieblingsrestaurant mit der Terasse und dem wundervollen Blick auf die alte Brücke stellen wir fest, wie scheisse doch Nationalismus ist, dass Gastarbeiterkinder alle einen an der Klatsche haben und wie einfach doch alles sein könnte, aber einfach einfach zu einfach wäre :-)


Sarajevo, wir kommen....

Abends geben Frenkie und Kontra ein Konzert in Sarajevo, mittags machen sich mein kleiner Cousin Muharem und ich auf den Weg, im Auto spricht er sich seinen Frust von der Seele: Nächstes Jahr ist er mit der Schule fertig und steckt im Zwiespalt: das studieren, worauf er Lust hat und im Anschluss arbeitslos sein oder das studieren, was ihm sein Vater empfiehlt, auf die guten Beziehungen hoffen um nach dem Studium einen Job zu haben, der ihm zwar keinen Spass macht, aber Geld nach Hause bringt. Bitter, welche Gedanken man sich Anfang Zwanzig in Bosnien machen muss...
Wir treffen uns mit Goca, einer lieben Freundin aus Stuggi. Der Club ist schon gut gefüllt als wir kommen, das Durschnittsalter bei Zwanzig, doch hey man ist immer nur so alt, wie man sich fühlt. 


mein Bosnien reicht von der Neretva zur Drina, Deins von der Bascarsija bis zur Cengic Vila

Frenkie, 1982 geboren, hat den grössten seinen Teil seiner Jugend als Flüchtlingskind in Deutschland verbracht. Seine Karriere begann als Backup MC und Schützling von Edo Maajka in der FM JAM-Familie. Mittlerweile gehört er zum Urgestein der Hip Hop Szene auf dem Balkan. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, seine überaus scharfzüngigen Texte sind geprägt von Wortwitz und einer brutalen Ehrlichkeit, die weh tut.
Neben seiner Musik ist er auch politisch aktiv, so hat  er sich in einem gemeinsamen Projekt mit einem serbischen Friedensaktivisten des Themas Krieg bzw. Vergangenheitsbewältigung angenommen, heraus kam dabei unter anderem eine überaus interessante Doku, anbei die Kurz und Langversion: 





Kontra, der "Jungspund" überzeugt mit intelligenten Texten und genialen Beats. Sein Album "Igra rijeci" / Wortspiel war letztes Jahr das bestverkaufte Hip Hop Album auf dem Balkan. Mit gerade mal 26 Jahren hat er schon drei Alben veröffentlicht, an Battles in ganz Europa teilgenommen und verdient auf jeden Fall Achtung und Respekt: 



Geflügelrollen nachts um zwei...

nach dem Konzert fahren wir zurück und unterwegs kriege ich Hunger, wir halten in Jablanica an der Bäckerei Putnik / Reisender und holen uns was zum Essen. Ganz ehrlich: selten hat mir etwas so gut geschmeckt wie diese Geflügelrolle nachts um zwei oder wie wir es so schön sagen: leglo mi ko budali samar :-D (An dieser Stelle muss ich mich bei den deutschen Lesern entschuldigen, manche Sachen kann man einfach nicht übersetzen ohne dass der Witz verloren geht, SORRY!)













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